Diese enthalt neben Praxisbeispielen auch kurze Texte zur Einordnung von Formulierungen und ein kleines Glossar
Wenn Lesben und Schwule Beitrage uber sich in der Zeitung lesen oder im Fernsehen schauen, kommen sie manchmal aus dem Staunen nicht heraus. Egal ob Boulevard, Qualitatspresse oder Nachrichtenagenturen: Regelma?ig gibt es Schlagzeilen uber das „Homosexuellen-Milieu“ und ungelenke Formulierungen wie „Homosexuelle und Lesben“ oder „bekennende Schwule“, die zeigen, dass es in vielen Redaktionen noch nicht so unverkrampft zugeht, wie mancher annimmt.
Der Bund Lesbischer und Schwuler JournalistInnen hat 2011 ein Faltblatt zu diesem Thema mit acht Praxisbeispielen veroffentlicht. Dieses war schnell vergriffen. In Zusammenarbeit mit der Akademie Waldschlosschen haben wir 2013 daher eine wesentlich umfangreichere Fassung als Broschure herausgegeben. Mit der Neuauflage wollen wir weiterhin unsere KollegInnen ermuntern: Schreiben Sie uber Lesben und Schwule – aber denken Sie dabei auch an die Wirkung Ihrer Texte! Die folgenden Informationen sollen eine kleine Hilfe im Arbeitsalltag sein.
Die Broschure ist in der Edition Materialien Waldschlosschen erschienen. Zu Dokumentationszwecken bieten wir sie trotz ihres Alters auch als PDF-Datei an.
Anne ist eine bekennende Homosexuelle
Man bekennt sich zu einer Straftat, zu einer Sunde oder einem Glauben. Homosexualitat ist nichts davon, die Zeiten des § 175 StGB sind vorbei. Auch wenn das Wort Bekenntnis im allgemeinen Sprachgebrauch Weiterungen erfahren hat (u.a. „bekennender Fu?ballfan“), bleibt es doch ein unpassender Begriff. Unabhangig davon ist es nach wie vor relevant, wenn sich jemand selbstbewusst geoutet hat. Wichtig: Sind Menschen offen schwul oder lesbisch, dann ist die mediale Wiedergabe dieser Information nicht indiskret! Geben sich Homosexuelle nicht zu erkennen, werden sie automatisch fur hetero gehalten.
Vorschlag: „Anne lebt offen lesbisch“. Noch besser: Beilaufig erwahnen wie bei Heterosexuellen: „Annes Lebensgefahrtin ist …“, „Anne hat ihre Traumfrau noch nicht gefunden…“
„Schwul“, „lesbisch“ oder „homosexuell“?
Die Adjektive „schwul“ und „lesbisch“ werden von einigen Heterosexuellen als Schimpfwort empfunden. Schwule und Lesben sehen diese Worte hingegen als selbstverstandliche Beschreibung ihrer sexuellen Identitat. Deshalb nur Mut.
Uberzeugte Lesbe
Doppel-Diskriminierung von Lesben. Die Formulierung beinhaltet das Bild der sexuell passiven Frau, die erst durch einen Mann zu ihrer Sexualitat finden kann. Die ubergriffige Frage, ob es eine Lesbe denn je mit einem Mann probiert habe (der sie „bekehren“ konne), ist immer noch alltaglich. In manchen Fallen werden diese Worte fur Frauen verwendet, die niemals eine sexuelle Beziehung oder Begegnung mit einem Mann hatten und dies fur sich ausschlie?en. Die Formulierung impliziert eine Umkehrbarkeit der sexuellen Orientierung durch au?ere Einflussnahme. Viele Lesben empfinden diesen Begriff als Beleidigung.
Vorschlag: Lesbe. „Anna lebt schon immer lesbisch.“ oder „Anna, die zehn Jahre mit einem Mann verheiratet war, hatte mit 40 ihr Coming-out als Lesbe.“
Im Homosexuellen-Milieu
Dieser Terminus ist sprachlicher Unsinn. Was oder wo soll dieses Milieu denn sein: die Stadt Koln, der Eurovision Song Contest oder gar das Amtszimmer einer lesbischen Politikerin? Solche Phrasen verunglimpfen Homosexuelle kollektiv, ganz so, als waren Lesben und Schwule wie Kriminelle in einer Art Rotlichtviertel organisiert. Kaum jemand wurde uber eine „Gewalttat im Lehrermilieu“ oder einen „Doppelmord im Hetero-Milieu“ berichten. Dass „Milieu“ auch ein soziologischer Begriff ist, wissen wir. Doch Autoren wollen mit rei?erischen Schlagzeilen dieser Art wohl kaum eine soziologische Prazision zum Ausdruck bringen. Zudem ist es gerade ein Ergebnis dieser Studien, dass Homosexuelle in jedem Milieu vorkommen.
Vorschlag: Statt „Mord im Homosexuellen-Milieu“: „Schwuler Mann ermordet“ (falls das Schwulsein fur die Geschichte uberhaupt von Bedeutung ist). Statt „Ein Mann aus dem Homosexuellen-Milieu“ einfach: „Ein Schwuler.“
Homo, Homo-
Das Wort „Homo“ als Synonym fur einen schwulen Mann, selten fur eine lesbische Frau, klingt despektierlich. Als Prafix kann das Wort Homo unter Umstanden kurz und pragnant den Sachverhalt verdeutlichen (siehe weitere Textbeispiele)
Ehefrau, Ehemann, „sind verheiratet“
Uber die Gleichstellung von (gleichgeschlechtlichen) Lebenspartnerschaften mit der (heterosexuellen) Ehe wurde lange Zeit eine emotionale Debatte gefuhrt. Bis zur Offnung der Ehe am 1. Oktober 2017 sprachen viele Lesben und Schwule ganz bewusst von „Hochzeit“, nannten ihre PartnerInnen „Mann“ und „Frau“ und formulierten damit ihren Anspruch auf Gleichbehandlung. Damals suggerierte die Verwendung klassischer Begriffe der Ehe jedoch eine Gleichstellung, die es so nicht gab. Solange eine Unterscheidung zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft galt, war es https://besthookupwebsites.org/de/oasis-active-review/ journalistisch korrekt, diese Diskriminierung durch den Einsatz der im Standesamt verwendeten Worte deutlich zu machen.
Homo-Ehe
Uber die Zulassigkeit des plakativen Begriffs „Homo-Ehe“ gab es lange Jahre unterschiedliche Ansichten. Zum einen kann das Prafix „Homo“ als herabwurdigend verstanden werden (siehe Praxisbeispiel Homo, Homo-). Zum anderen handelte es sich bei der Lebenspartnerschaft, die bis 2017 galt, eben gerade nicht um eine Ehe. Seit dem 1. Oktober 2017 ist eine Eheschlie?ung auch fur Homosexuelle moglich. Damit ist der Begriff Homo-Ehe uberflussig.
Kein Synonym fur „Lebenspartnerschaft“! Nur noch in historischen Zusammenhangen sinnvoll; z.B. bei der Forderung nach Gleichstellung: „Angela forderte Homo-Ehe“; besser: „Angela forderte Offnung der Ehe fur Homosexuelle“.
Homo-Verdacht / Homo-Vorwurf
Vokabeln mit diskriminierendem Unterton. Die Begriffe „Verdacht“ und „Vorwurf“ haben eine klar negative Konnotation: Als ware Homosexualitat ein Verbrechen, eine Krankheit oder etwas Geheimzuhaltendes.
Schwulen-Parade
Beim Christopher Street Day wird u.a. die Vielfalt der Community gezeigt, was journalistisch berucksichtigt werden sollte. Der Begriff „Schwulen-Parade“ ist eine Formulierung, die alle anderen TeilnehmerInnen diskriminiert. Die Vernachlassigung von Lesben, Trans*- und Inter*-Menschen in der Bild-Berichterstattung bzw. im Beitragstext ist ein haufiger Fehler in Berichten uber CSDs. Sicherlich stechen einige Menschen in deen Demonstrationen aus der Masse hervor; sich bei der Berichterstattung auf diese zu beschranken, wird dem Charakter der Veranstaltung jedoch nicht gerecht.
Schrille Party / Schrille Parade
Trotz lauter Musik und ausgelassener Stimmung darf nicht vergessen werden, dass bei den Paraden anlasslich des Christopher Street Days viele Menschen auf die Stra?e gehen, um fur Gleichstellung und gegen Homophobie zu demonstrieren. Dass dabei ebenso bisher erreichte Ziele gefeiert werden, tut dem keinen Abbruch.
Abgegriffenes Klischeesymbol, das schwule Manner in der heterosexuellen Welt verachtlich machen soll. Noch heute setzen regelma?ig Boulevard-Medien Homosexuelle betreffende Meldungen in einen rosa Kasten. Auch hier gilt: in satirischem Kontext zulassig.